Indien ist ein Land der Tradition, des Glaubens, der Mystik und demnächst auch eine der fünf größten Wirtschaftsmächte. Die aktuelle Politik hat ein klares Ziel: Fortschritt. Doch den, findet man vor allem in Städten. Über die Hälfte der Bevölkerung ist allerdings in der Landwirtschaft tätig und bekommt nichts von diesem Boom mit. So auch die Kaste der Bishnoi. Sie fühlen sich abgehängt. Sie verpassten den Aufsprung auf den Zug nach Bildung, sozialem Prestige, Wohlstand und Urbanisierung. »Unsere Gemeinschaft war glücklich, wenn sie unseren Geboten folgen konnte, nicht mal unsere Sadhus (deu.: heilige Priester) haben eine hohe Bildung«, sagt Jagdish Bishnoi.
Die Bishnoi sind eine religiöse und sehr naturverbundene Glaubensgemeinschaft. Bereits vor über fünf Jahrhunderten strebten sie nach einem Leben in absoluter Harmonie mit der Fauna und Flora die sie umgab. Ihren 29 Regeln folgend ist ihnen das Verletzen oder Töten von Lebewesen, ob Baum, Tier oder Mensch, ob physisch oder psychisch, strikt untersagt. Was als eine von Guru Jambeshwar gegründete Sekte begann ist heute eine angesehene und respektierte Kaste. Diesen Status mussten sie sich in der Vergangenheit mit hohen Blutzöllen erkämpfen. Ihre Philosophie steht vornehmlich für ein Leben in Frieden und Einfachheit, der autarken Selbstversorgung und körperlicher Reinheit.
Doch dies scheint heute zu schwinden. Es herrscht Aufbruchsstimmung. Statt der Selbstversorgung findet man Profitmaximierung. Das Band einer Gemeinschaft wandelt sich zum Angestelltenverhältnis. Kinder legen ihren Fokus auf Schule und Studium, anstatt auf das Lernen ihrer 29 Gebote. Eine alternative Generation entwickelt sich, auf der Suche nach Bildung und auf einem Weg, der sie von dem primitiven Farmerleben zur Moderne und Wohlstand führen soll. Trotzdem blicken sie mit Stolz auf ihre Traditionen und den Pfad den sie bis heute beschritten haben.